Freikirchen (Teil 1) – Einführung - Mai 2010


Evangelische Freikirchen
Foto: Werner

Einstige Konfliktstoffe heizen keine Diskussionen mehr an

Evangelische Kirchengemeinden und Freikirchliche pflegen in der Hardt und an der Pfinz ein entspanntes gegenseitiges Verhältnis

Von Alexander Werner

Eine bunte Vielfalt kennzeichnet die Evangelischen Landeskirche in Baden. Diese offenbart sich auf besondere Weise in der Hardtregion. Während in dieser Hochburg des Pietismus vie-le Kirchengemeinden die Traditionen der Erweckungsbewegung wach halten, sind dort auch liberal ausgerichtete beheimatet. Zudem leben evangelische Gemeinschaften als geistlich und organisatorisch unabhängige Werke den Glauben auf ihre Weise, dies allerdings unter dem Dach der Landeskirche. Das evangelische Spektrum ist damit jedoch keineswegs erschöpft. Freie oder freikirchliche Gemeinden oder Glaubensgemeinschaften gehen  ihre Wege gänzlich autonom und selbstfinanziert außerhalb der Landeskirche.

„Freikirchliche Gemeinden sind prinzipiell unabhängig, manche existieren sogar nur für sich, ohne sich zu vernetzen oder einem lockeren Bund anzugehören“, erläutert Wolfgang Brjan-zew. Dekan des Kirchenbezirks Karlsruhe-Land. Im ländlichen Raum indessen gestaltet sich die Lage überschaubarer als in einer Großstadt wie Karlsruhe. In Hochstetten gründete sich vor mehr als 100 Jahren aus der Landeskirche heraus eine Freie evangelische Gemeinde. Während sie dem Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland beitraten, schloss sich die ihr im Geiste recht nahestehende, rund 30 Jahre alte Evangelisch-Freikirchliche Ge-meinde Lebenswerk Weingarten dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden an. Denn sie versteht sich als baptistisch und damit einer weltweit sehr starken Freikirche verbunden. Mennonitengemeinden, die ebenfalls ihre Wurzeln in der Täuferbewegung haben, gibt es in Wössingen und Weingarten. Dort sind auch neben Blankenloch die Methodisten vertreten, deren Ursprünge in England liegen und die betont aufgeschlossen gegenüber allen christlichen Glaubensrichtungen auftreten.

Dekan Brjanzew charakterisiert letztere als „eine, wobei kleinere Volkskirche, mit der die Zusammenarbeit grundsätzlich gut funktioniert“. Diese Erfahrung machte auch Dekanstellver-treter Friedrich Baier im Kirchenbezirk Bretten, der für Weingarten und Walzbachtal zustän-dig ist. Offenheit herrscht auch gegenüber anderen Freikirchlichen, wenngleich es bei einer allgemein entspannten Koexistenz da und dort auch mal zu leichten Irritationen kommen kann, was vor allem an der bei freien oder baptistischen Gemeinden gänzlich unterschiedli-chen Auslegung der Taufe liegt.

Der theologische Knackpunkt tritt zutage, wenn bei den „Freien“ Menschen im Verständnis der evangelischen Kirche „wiedergetauft“ werden. Die aus der reformatorischen Täuferbewe-gung des 16. Jahrhunderts hervorgegangenen Glaubensrichtungen lehnen die Kindstaufe ab und praktizieren die „Glaubenstaufe“. Erst, wer sich meist als Jugendlicher oder junger Er-wachsener bewusst für den Glauben und ein Leben mit Gott entscheidet, wird auf seinen Wunsch hin getauft. In der evangelischen wie der katholischen Kirche indessen ist die Taufe ein einmaliges Sakrament, bei dem, so Dekan Brjanzew, „Gott unsichtbar handelt“ und das bei Kindern mit der Verpflichtung einhergeht, „diese im christlichen Glauben zu erziehen“.

Der einstige Konfliktstoff aber heizt längst keine Diskussionen mehr an, da sich die meisten dieser Gemeinden wie auch in Hochstetten und Weingarten heute sehr moderat und zurück-haltend in Fällen von bereits als Kinder getaufter Menschen verhalten. „Oft spielen im gegen-seitigen Verhältnis auch einfach persönliche und menschliche Aspekte zwischen den jeweili-gen Pfarrern und Pastoren ein Rolle“, so Pfarrer Baier.

So pflegt man an in der Hardt und an der Pfinz ein gutes und respektvolles Nebeneinander, begünstigt auch durch die Nähe der dortigen Freikirchlichen zum pietistischen Glauben, ande-rerseits aber wie etwa in Weingarten durch eine dort sehr liberale und tolerante Kirchenge-meinde. Ebenso mit den in der Taufpraxis „keineswegs aggressiven, friedensbewegten und auf ruhige Art kooperativen“ Mennoniten, hebt Weingartens „Vakanz“-Pfarrerin Annegret Lingenberg hervor, lasse es sich gut zusammenleben. Ausdruck findet dies auch in der Zu-sammenarbeit der einzelnen Glaubensrichtungen in der Evangelischen Allianz und während der Gebetswoche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK).
Alexander Werner

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