Freikirchen (Teil 3) – Baptisten Weingarten - Mai 2010


Evangelische Freikirchen
Foto: Privat


„Gott, einander und der Welt dienen“ als Aufgabe und Vision

Die baptistische Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Weingarten will Menschen das Lebenswerk Christi zeitgemäß nahebringen


Von Alexander Werner

Zuweilen sind es nur Nuancen, die freikirchliche evangelische Gemeinden oder Glaubensgemeinschaften voneinander unterscheiden. So gibt es beispielsweise auch viele Parallelen zwischen der Freien evangelischen Gemeinde Hochstetten (wir berichteten) und der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Lebenswerk Weingarten. Diese jedoch steht in der Tradition der Baptisten, wie ihr Pastor Stefan Pohl hervorhebt, und ist insofern nicht dem Bund Freier evangelischer Gemeinden, sondern dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland angeschlossen.

Die Gemeinde in Weingarten ist die einzige baptistische im Gebiet der BNN-Hardtausgabe, darüber hinaus aber finden sich einige im Großraum Karlsruhe. Losen Gruppen wie etwa in Stutensee, darunter viele Spätaussiedler aus Russland, gelang es nicht, sich als Gemeinde zu etablieren. Sie gingen entweder in Kirchengemeinden auf oder schlossen sich evangelischen Gemeinschaften an.

Die Anfänge in Weingarten liegen 32 Jahre zurück. Damals gründete der evangelische Pfarrersohn Christoph Scheel mit seiner Frau Martha einen Hauskreis, aus dem eine wachsende Gemeinde mit eigenem Zentrum hervorging. Autonom und unabhängig von der badischen Landeskirche bestimmte sie ihre Geschicke eigenfinanziert selbst. Vor einigen Jahren vollzog sich dann ein Generationswechsel unter dem neuen Namen „Lebenswerk“. „Die Leitung wurde in jüngere Hände gegeben, um nicht bei alten Mustern stehenzubleiben und die Gemeinde zeitgemäßer und moderner zu profilieren“, so Pastor Pohl. „Mitten im Leben“ soll sie stehen und die Leitsätze verwirklichen, „Gott, einander und der Welt zu dienen“. Rund 100 Mitglieder zählt die Gemeinde, die besonders junge Familien anspricht. Entsprechend breitgefächert ist auch die Kinder- und Jugendarbeit und deren Angebote.

Theologisch verbindet sie einiges mit der pietistischen Erweckungsbewegung, der persönliche Gotteszug, die bewusste Entscheidung zum gelebten Glauben, die Hauskreise und die Bibeltreue als Leitlinie für Lehre, Glauben und Leben. „Ein wenig liegen unsere Wurzeln auch in den charismatischen Aufbrüchen, die in der 70er-Jahren aus den USA herüberschwappten“, so Pohl. „Neues ausprobieren“, lautete die Devise. Dies aber auf der Grundlage der baptistischen Lehre, die sich einst, beeinflusst von der englischen Reformation ausbreitete und heute weltweit rund 50 Millionen getaufte Mitglieder zählt. Rechnet man Kinder dazu, kommt man auf etwa 100 Millionen in baptistischen Gemeinden beheimatete Menschen.

Baptisten betonten die Gemeinschaft und das Priestertum aller Gläubigen, treten für Glaubens- und Gewissensfreiheit des Menschen ein und damit für eine völlige Trennung von Staat und Kirche. Eine wesentliche Aufgabe sehen sie auch in Evangelisation und Mission. So unterstützte „ Lebenswerk“ etwa die Gründung zweier Gemeinden in Bruchsal und Bretten und in der Auslandsmission ihre Mitglieder Brigitte und Steffen Winkels, die mit dem Verein Asien-Afrika-Mission in Tansania ihren Dienst tun.

Unantastbar gilt den Baptisten die Gläubigentaufe von Menschen, die sich bewusst zu einem Leben mit Gott bekennen. Über die werden sie zum Gemeindemitglied, wobei auch Ungetaufte als Freunde ihren Platz in der Gemeinschaft finden. Strikt lehnen Baptisten die Kindstaufe ab. Allerdings entscheidet jede Gemeinde für sich, wie sie mit Menschen umgeht, die bereits als Kind getauft wurden. „Wir überreden niemand, sich noch einmal taufen zu lassen“, betont Pastor Pohl. „Wir sind da eher flexibel und schauen, dass wir immer einen für beide Seiten guten Weg finden.“ Insofern sei die Glaubenstaufe im Verhältnis zur evangelischen Kirchengemeinde auch kein Diskussionsthema. „Wir erkennen uns gegenseitig an, begegnen uns freundschaftlich und arbeiten in der evangelischen Allianz und der Gebetswoche zusammen.“

Darüber hinaus gibt es zwar keine regelmäßige Treffen, aber „ein respektvolles, und akzeptiertes Nebeneinander“, erklärt Kirchengemeinderatsvorsitzender Gerd Zimmermann. Und das, so ergänzt die derzeit die vakante Pfarrstelle in Weingarten betreuende Pfarrerin Annegret Lingenberg, „frei von Konflikten“ sei.

Alexander Werner